Die Königin der Inschriften

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Augustus
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res.gest.div.Aug. 34 – Original:

In consulatu sexto et septimo, postquam bella civilia exstinxeram, per consensum universorum potitus rerum omnium, rem publicam ex mea potestate in senatus populique Romani arbitrium transtuli. Quo pro merito meo senatus consulto Augustus appellatus sum et laureis postes aedium mearum vestiti publice coronaque civica super ianuam meam fixa est et clupeus aureus in curia Iulia positus, quem mihi senatum populumque Romanum dare virtutis clementiaeque et iustitiae et pietatis caussa testatum est per eius clupei inscriptionem. Post id tempus auctoritate omnibus praestiti, potestatis autem nihilo amplius habui quam ceteri qui mihi quoque in magistratu conlegae fuerunt.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Marion Giebel
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

In meinem sechsten und siebten Konsulat habe ich, nachdem ich die Flammen der Bürgerkriege gelöscht hatte und mit der einmütigen Zustimmung der gesamten Bevölkerung in den Besitz der staatlichen Allgewalt gelangt war, das Gemeinwesen aus meiner Machtbefugnis wieder der Ermessensfreiheit des Senats und des römischen Volkes überantwortet. Für dieses mein Verdienst wurde mir auf Beschluß des Senats der Name Augustus gegeben. Die Türpfosten meines Hauses wurden auf staatlichen Beschluß mit Lorbeer geschmückt, und ein Bürgerkranz wurde über meinem Tor angebracht. Ein goldener Schild wurde in der Curia Julia aufgestellt, den mir der Senat und das römische Volk geweiht haben wegen meiner Tapferkeit und Milde, meiner Gerechtigkeit und Hingabe, wie es die Aufschrift auf diesem Schild bezeugt. Seit dieser Zeit überragte ich alle übrigen an Autorität, an Amtsgewalt aber besaß ich nicht mehr als die anderen, die auch ich im Amt zu Kollegen hatte.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
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res.gest.div.Aug. 34

Leitfragen:

1) Was sind die Res Gestae und was ist das Besondere an dieser Inschrift?

2) Was deckt der Text inhaltlich ab?

3) Mit welcher Intention wurde sie aufgestellt?

Kommentar:

Theodor Mommsen (1817-1903) hat die Res Gestae divi Augusti einmal zutreffend als „Königin der antiken Inschriften“ tituliert. Kaum eine andere uns überlieferte Inschrift ist so umfangreich und eindrucksvoll, wie der Tatenbericht des vergöttlichten Augustus. Dabei handelt es sich um einen vom Princeps eigenhändig verfassten Bericht über seine Regierungszeit, der seine Verdienste, seine Ehrungen und seine Taten aufzählt. Augustus war durch den Sieg in der Schlacht bei Actium 31. v. Chr. gegen Antonius de facto zum Alleinherrscher des Imperium Romanum geworden. Nach diesem Sieg stand er allerdings vor der schweren Aufgabe zu entscheiden, in welcher Form er seine Herrschaft weiter ausüben wollte; wie bereits das Schicksal seines Adoptivvaters Caesar gezeigt hatte, war die Annahme des Königstitels und/oder die Etablierung einer hellenistisch orientierten Monarchie keine Option für das Römische Reich.

Augustus endschied sich – auch durch Erfahrung der vorhergegangenen Bürgerkriege und aufgrund des Verlangens des römischen Volkes nach Frieden – dafür, 27 v.Chr. in einer großen Geste alle außerordentlichen Vollmachten, die er während der letzten Jahre des Triumvirats erhalten hatte, zurückzugeben. Im Gegenzug erhielt er vom Senat diverse Ehrungen, wie das Cognomen Augustus (vorher nannte er sich Gaius Iulius Caesar Octavianus), die Bürgerkrone, corona civica, einen Ehrenschild in der Curia und Lorbeerbäume, die vor seinem Haus gepflanzt wurden. Im vorliegenden Textausschnitt betont Augustus deutlich, dass er zu diesem Zeitpunkt keine außerordentlichen Amtsgewalten mehr innegehabt hatte und alle Ehrungen auf deutliche Aufforderung des Senats zurückzuführen sind. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht die ganze Wahrheit war; zum einen nahm er durch die Auszeichnungen des Senats und seiner Anhänger eine soziale Sonderrolle ein, zum anderen hatte er immer noch die wichtigsten Provinzen und deren Truppen sowie die wichtigsten Ämter inne. Nach außen gab er demnach dem Volk die alte res publica (restituta) zurück und propagierte das Bild von sich als primus inter pares – Erster unter Gleichen, im Inneren liefen jedoch alle machtpolitischen Fäden auf ihn zu.

Ursprünglich war die Inschrift auf zwei Bronzepfeilern vor dem Mausoleum Augusti angebracht und somit allen Bürgern Roms zugänglich. Das Grabmal ließ der Princeps bereits kurz nach seinem Herrschaftsantritt auf dem Marsfeld errichten. Es wurde später Teil eines größeren Baukomplexes zur Verehrung des Kaisers, welches neben dem Mausoleum auch den Friedensaltar, die Ara Pacis und das Solarium Augusti umfasste. Die Bronzepfeiler mit dem Originaltext, wie Augustus sie in seinem Testament nennt, sind uns nicht erhalten geblieben, dafür aber diverse Abschriften des Textes aus den Provinzen, von denen das Monumentum Ancyranum die wohl umfangreichste Überlieferung – sowohl auf Latein, als auch auf Griechisch – darstellt. Der Text wurde ohne Frage mit der Intention aufgestellt, die Herrschaft des Augustus zu legitimieren und stellt in keinem Fall eine akkurate Version der historischen Ereignisse dar. Ganz im Gegensatz dazu ist der Bericht gefärbt von „propagandistischen“ Zügen, Euphemismen und Verharmlosungen der eigentlichen Ereignisse. Dennoch ist der Text eine einzigartige Quelle für das sog. Saeculum Augustum, welches dort in den Worten des Princeps beschrieben wird.

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Nationalepos Vergil

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Autor_in: Vergil
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Verg.Aen. 1,255-275. – Original:

Olli subridens hominum sator atque deorum,
255 voltu, quo caelum tempestatesque serenat,
oscula libavit natae, dehinc talia fatur:
“Parce metu, Cytherea: manent immota tuorum
fata tibi; cernes urbem et promissa Lavini
moenia, sublimemque feres ad sidera caeli
260 magnanimum Aenean; neque me sententia vertit.
Hic tibi (fabor enim, quando haec te cura remordet,
longius et volvens fatorum arcana movebo)
bellum ingens geret Italia, populosque feroces
contundet, moresque viris et moenia ponet,
265 tertia dum Latio regnantem viderit aestas,
ternaque transierint Rutulis hiberna subactis.
At puer Ascanius, cui nunc cognomen Iulo
additur,—Ilus erat, dum res stetit Ilia regno,—
triginta magnos volvendis mensibus orbis
270 imperio explebit, regnumque ab sede Lavini
transferet, et longam multa vi muniet Albam.
Hic iam ter centum totos regnabitur annos
gente sub Hectorea, donec regina sacerdos,
Marte gravis, geminam partu dabit Ilia prolem.
275 Inde lupae fulvo nutricis tegmine laetus
Romulus excipiet gentem, et Mavortia condet
moenia, Romanosque suo de nomine dicet.
His ego nec metas rerum nec tempora pono;
imperium sine fine dedi.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Theodore C. Williams
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Übersetzung:

Smiling reply, the Sire of gods and men,
with such a look as clears the skies of storm
chastely his daughter kissed, and thus spake on:
“Let Cytherea cast her fears away!
Irrevocably blest the fortunes be
of thee and thine. Nor shalt thou fail to see
that City, and the proud predestined wall
encompassing Lavinium. Thyself
shall starward to the heights of heaven bear
Aeneas the great-hearted. Nothing swerves
my will once uttered. Since such carking cares
consume thee, I this hour speak freely forth,
and leaf by leaf the book of fate unfold.
Thy son in Italy shall wage vast war
and, quell its nations wild; his city-wall
and sacred laws shall be a mighty bond
about his gathered people. Summers three
shall Latium call him king; and three times pass
the winter o’er Rutulia’s vanquished hills.
His heir, Ascanius, now Iulus called
(Ilus it was while Ilium’s kingdom stood),
full thirty months shall reign, then move the throne
from the Lavinian citadel, and build
for Alba Longa its well-bastioned wall.
Here three full centuries shall Hector’s race
have kingly power; till a priestess queen,
by Mars conceiving, her twin offspring bear;
then Romulus, wolf-nursed and proudly clad
in tawny wolf-skin mantle, shall receive
the sceptre of his race. He shall uprear
and on his Romans his own name bestow.
To these I give no bounded times or power,
but empire without end.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
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Verg.Aen. 1,255-275.

Leitfragen:

1) Mit welcher Intention wurde der Text verfasst?

2) Inwiefern wurde der Mythos politisch instrumentalisiert?

3) Wo sonst lässt sich dieser Nationalepos wiederfinden?

Kommentar:


Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um einen Auszug aus einem Werk des Publius Vergilius Maro – kurz Vergil (ca. 70 – 19 v. Chr.). Die Aeneis – die Geschichte des tapferen Heldens Aeneas, der nach dem Untergang seiner Heimatstadt Troja diverse Irrfahrten überstehen muss, um am Ende in Latium eine neue Stadt gründen zu können – war eines der bekanntesten Werke des Dichters, der schon zu Lebzeiten äußerst erfolgreich war. Der Text wurde zwischen 29 und 19 v. Chr. verfasst und besteht aus 12 Büchern, die insgesamt ungefähr 10.000 Verse in Hexametern umfassen. Inhaltlich baut Vergil auf Homers Ilias und Odyssee (ca. 8. Jh.) auf, wobei er auf verschiedene Varianten der Erzählungen zurückgriff und diese kombinierte.

Der Ausschnitt beschreibt eine Szene, in der sich die Göttin Venus mit der Frage nach dem Schicksal ihres Günstlings Aeneas an Iuppiter wendet. Der Göttervater gibt ihr zu verstehen, dass der junge Mann – den derzeitigen Wirrungen zum Trotz – eine erfolgreiche Stadt gründen wird, aus der später die Weltmacht Rom hervorgehen wird. Sein Sohn Ascanius wird Alba Longa (die Vorgängerstadt Roms) gründen, in der die Vestalin Rhea Silvia, ebenfalls aus dem trojanischen Geschlecht des Aeneas stammend, von dem Kriegsgott Mars verführt, die Kinder Romulus und Remus gebären wird. Die Aeneis liefert durch die Verknüpfung dieser zweier Mythenkreise – des Trojamythos und der Romulus und Remussage – einen neuen Gründungsmythos für die Stadt Rom. Dabei vermengte Vergil nicht einfach nur zwei Mythen miteinander, vielmehr sorgte er dafür, dass der Familienmythos der Iulier zum staatstragenden Element erhoben wurde.

Der Grund hierfür lässt sich in der politischen Lage zu Beginn des Principats unter Augustus (27 v. Chr.) finden. Augustus befand sich in der schwierigen Situation, den Staat stabilisieren und seine neue Herrschaftsform legitimieren zu müssen, dabei spielte die Etablierung der Iulier als Herrscherdynastie eine wichtige Rolle. Augustus war, geprägt durch die Erfahrungen, die er im Ringen um die Macht nach dem Tod seines Adoptivvaters Caesar gemacht hatte, immer darauf bedacht – zumindest nach Außen hin – die alte res publica wiederherzustellen (res publica restituta), diese in Wirklichkeit aber nicht zu erneuern. Wann immer es ihm also möglich war, schuf der Princeps bewusst Verbindungen zur Vergangenheit und berief sich auf die Sitten der Vorfahren (mos maiorum), insbesondere als es um die Propagierung seiner Enkel als Nachfolger ging. Mit der Aeneis gab Vergil dem Mythos des Untergangs Trojas und den Irrfahrten des Aeneas eine umfassende Deutung, die nicht nur die künftige Herrschaft der Iulier, sondern die gesamte Geschichte Roms als eine vom Schicksal bestimmte Heilsgeschichte beschreibt. Zwar wird lediglich indirekt, etwa durch Visionen, wie in dem vorliegenden Textausschnitt, auf die „zukünftige“ Zeit des Augustus hingedeutet, dennoch muss der Text auch als eine Huldigung des Augustus verstanden werden, der die Verwirklichung dieses Idealzustandes feiert und damit in der Lage war, den von den Bürgerkriegen geschwächten Römern ein neues Selbstbewusstsein zu geben. Als positiver Nebeneffekt konnte sich die römische Tradition nun problemlos mit der der Griechen messen.

Diese Absicht schlägt sich ebenfalls im gesamten Bildprogramm des Augustus nieder und wird besonders in der Konzeption des Augustusforums deutlich, welches als Repräsentationszentrum des neuen Staates konzipiert wurde. Im Tempel des Mars Ultor werden nochmals Mythos und Geschichte miteinander vereint und – anders als in der Aeneis – wird hier der Blick von der Gegenwart auf die Vergangenheit gerichtet. Der Kriegsgott Mars fungiert hierbei zum einen durch seinen Beinamen Ultor als Rachegott, der für die Rache an den Caesarmördern steht, zum anderen symbolisiert er den Stammvater der Römer und die Tugend der virtus („Mannhaftigkeit“). Ihm zur Seite wird Venus gestellt, die die Stammutter der Iulier ist und Fruchtbarkeit und Fülle garantiert. Gesäumt werden diese mythologischen Figuren mit Statuen wichtiger historischer Persönlichkeiten sowie symbolträchtiger Kriegsbeute. Obwohl Augustus alle Formen der direkten Selbstdarstellung stets vermied, wird hier der neue Machthaber durch die visuelle Erfahrbarkeit deutlich in einen Zusammenhang mit der iulischen Familie und der gesamten römischen Geschichte gestellt – das von Vergil beschriebene Heilsgeschehen erfüllt sich demnach in der Person und in der Herrschaft des Princeps.

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Severin und Odoaker

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Eugippius
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Vita sancti severini 32 – Original:

Isdem temporibus Odovacar rex sancto Severino familiares litteras dirigens, si qua speranda duceret, dabat suppliciter optionem, memor illius praesagii, quo eum quondam expresserat regnaturum. Tantis itaque sanctus eius alloquiis invitatus, Ambrosium quemdam exulantem rogat absolvi. Cuius Odovacar gratulabundus paruit imperatis. Quodam etiam tempore, dum memoratum regem multi nobiles coram sancto viro humana, ut fieri solet, adulatione laudarent, interrogat, quem regem tantis praeconiis praetulissent. Respondentibus, „Odovacarem“, „Odovacar -inquit- integerinter tredecim et quattuordecim“ annos videlicet integri eius regni significans: et his dictis adiecit citius illos, quod ipse praedixerat, probaturos.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Roger Pearse
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Übersetzung:

At about the same time King Odoacer addressed a friendly letter to Saint Severinus, and, mindful of that prophecy, by which of yore he had foretold that |87 he should become king, entreated him to choose whatsoever gift he might desire. In response to this august invitation, the saint asked that one Ambrose, who was living in exile, be pardoned. Odoacer joyfully obeyed his command.
Also, once when in the saint’s presence many nobles were praising Odoacer with the adulation usual among men, Severinus asked on what king they were conferring such great commendations. They replied, „Odoacer.“ „Odoacer,“ he said, „safe between thirteen and fourteen“; meaning of course the years of his unchallenged sovereignty: and he added that they should live to see the speedy fulfillment of his prophecy.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Vita sancti severini 32

Leitfragen:

1) Welche Rolle spielt Severin?

2) Wie wird Odoaker beschrieben?

3) Welche Rolle spielt die Prophezeiung?

Kommentar:

Der Quellenausschnitt ist Teil der Bischofsvita des Heiligen Severin von Noricum, die von einem gewissen Eugippius (465-533 n. Chr.) verfasst worden ist. Die Vita Sancti Severini deckte in etwa einen Zeitraum vom Tode Attilas (453 n. Chr.) bis zum Tode Severins (482 n. Chr.) ab. Auch diese hagiographische Schrift wurde mit der Intention verfasst, das Leben und die beschriebenen Wundertaten des Heiligen zu überhöhen und damit als motivierendes Beispiel für die Gemeinde zu dienen.

Die um 511 n. Chr. verfasste Vita ist die Hauptquelle über das Leben des Heiligen. Severin selbst war ein spätantiker Heiliger und Missionar. Eine Zeit lang lebte er als Einsiedler und Mönch in der Wüste. Erst nach dem Tod des Hunnenkönigs Attila und in einer politisch schwierigen Situation begab er sich nach Ufernoricum, einer Provinz nördlich der Alpen. Der Mönch unterstützte die lokale Bevölkerung und versuchte diese vor den zunehmenden Überfällen der Germanen zu schützen und setzte sich auch sonst als Fürsprecher für sie ein. Allerdings hatte er wohl zu diesem Zeitpunkt kein offizielles Amt inne, sondern lebte als Anachoret, mehr oder weniger unabhängig vom öffentlichen Leben.

Der Ausschnitt beschreibt eine Szene zwischen dem weströmischen Offizier Odoaker (ca. 433-493 n. Chr.) und dem Heiligen Severin. Odoaker hatte bereits in seiner Jugend eine Prophezeiung von Severin erhalten, die besagte, dass er eines Tages König werden würde. Nachdem Odoaker tatsächlich nach der Absetzung von Romulus Augustulus 476 n. Chr. den barbarischen Titel rex Italiae annahm und sich als König von Rom bezeichnen konnte, wollte er sich bei Severin noch einmal für die Prophezeiung bedanken. Im Gegenzug forderte Severin einen Gefallen ein und bat den König darum, dass er einen gewissen Ambrosius – welcher nicht identisch mit Ambrosius von Mailand ist – begnadigen und ihn aus seiner Verbannung zurückzuholen sollte. Odoaker gestattete ihm diese Bitte und wurde darauf von der Bevölkerung für seine Milde gepriesen. Severin verweist allerdings auch auf die Fehlbarkeit Odoakers und sollte damit schließlich auch Recht behalten, denn der König wurde 493 n. Chr. in einem Kampf um die Macht von dem Ostgotenkönig Theoderich getötet. Besonders deutlich wird in dieser Szene zum einen der faktische Untergang des Weströmischen Reiches, welches nun unter der Herrschaft eines „barbarischen“ Königs stand, zum anderen nimmt der Heilige hier eine allen anderen übergeordnete Rolle ein; er wusste und weiß um das Schicksal des Königs und ist in der Lage, vor diesem wie vor anderen Herrschern Fürsprache für seine Gemeinde und seine Freunde vorzutragen.

Nach dem Tod Severins wurden die Gebeine des Heiligen zuerst in seinem Kloster beigesetzt und später im Rahmen einer Zwangsumsiedlung der Provinzialbevölkerung nach Italien gebracht. Im Auftrag von Odoaker 488 n. Chr. wurde der von Severin gegründete Konvent – mitsamt den Gebeinen des Heiligen – nach Italien übersetzt und in Neapel erneut beigesetzt. Seit 1807 liegen die Gebeine Severins in der Pfarrkirche von Frattamaggiore, ebenfalls in Neapel.

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Plünderung Roms durch die Vandalen

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Henry Bronson Dewing
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

And Gizeric, for no other reason than that he suspected that much money would come to him, set sail for Italy with a great fleet. And going up to Rome, since no one stood in his way, he took possession of the palace. Now while Maximus was trying to flee, the Romans threw stones at him and killed him, and they cut off his head and each of his other members and divided them among themselves. But Gizeric took Eudoxia captive, together with Eudocia and Placidia, the children of herself and Valentinian, and placing an exceedingly great amount of gold and other imperial treasure in his ships sailed to Carthage, having spared neither bronze nor anything else whatsoever in the palace. He plundered also the temple of Jupiter Capitolinus, and [4-9] tore off half of the roof. Now this roof was of bronze of the finest quality, and since gold was laid over it exceedingly thick, it shone as a magnificent and wonderful spectacle. But of the ships with Gizeric, one, which was bearing the statues, was lost, they say, but with all the others the Vandals reached port in the harbour of Carthage. Gizeric then married Eudocia to Honoric, the elder of his sons; but the other of the two women, being the wife of Olybrius, a most distinguished man in the Roman senate, he sent to Byzantium together with her mother, Eudoxia, at the request of the emperor. Now the power of the East had by now fallen to Leon, who had been set in this position by Aspar, since Marcian had already passed from the world.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Prok. BV. 3,5,1-7

Leitfragen:

1) Was war der Auslöser für den Überfall auf Rom?

2) Wie wird der Überfall auf Rom beschrieben?

3) Welche Ziele verfolgte Geiserich damit?

Kommentar:

Der vorliegende Quellenausschnitt beschreibt Geiserichs „sacco di Roma“ – die Eroberung Roms durch den Vandalenkönig im Jahr 455 n. Chr. Der Verfasser Prokop von Caesarea (ca. 500-562 n. Chr.) stammte aus Caesarea Maritima und nahm selbst an einigen Feldzügen unter dem Kommando des oströmischen Feldherrn Belisar teil. Der spätantike Historiker, dessen literarischer Höhepunkt sich in die Mitte des 6. Jahrhunderts auf die Herrschaftszeit Kaiser Justinians datieren lässt, beschreibt in seinen Historien die Kriegs- bzw. Militärgeschichte Roms. Seine „Kriegsgeschichten“ umfassen acht Bücher. In den ersten beiden Büchern werden die Auseinandersetzungen im persischen Gebiet mit den Sassaniden beschrieben. Die Bücher drei und vier behandeln die Kämpfe mit den Vandalen in Nordafrika und die Bücher fünf bis sieben die Kriege gegen die Ostgoten in Oberitalien. Das achte Buch ist eine Zusammenschau verschiedener Kriege an unterschiedlichen Schauplätzen.

Geiserichs Angriff auf Rom kam für die Bewohner überraschend, es wurde kaum Wiederstand geleistet, die Vandalen konnten nach vierzehn Tagen mit reicher Beute und bedeutenden Geiseln nach Karthago zurückkehren. Wie aber kam es zu diesem Überfall auf die ewige Stadt? Um die Mitte des 5. Jahrhunderts kann die politische Ausgangslage für die Vandalen durchaus als positiv beschrieben werden. Nach dem zweiten römisch-vandalischen Friedenschluss zeigten sich die Vandalen als zuverlässige Bündnispartner Ravennas. Sie lieferten Getreide und ließen auf Bitten des Kaisers sogar wieder einen katholischen Bischof in der karthagischen Gemeinde einsetzen. Dies änderte sich allerdings rapide mit dem Tod Kaiser Valentinians III. und des Heermeisters Aetius. Durch das Ableben seiner Bündnispartner sah Geiserich die vorher geschlossenen Vertragsbindungen als nichtig an. Dabei ist das personalisierte Verständnis von Verträgen zwar auch an anderen Stellen überliefert, dennoch stellte in diesem Fall der Tod des Vertragspartners keine hinreichende Begründung für den Angriff auf Rom dar. Der eigentliche Auslöser lag wohl in der kaiserlichen Nachfolge durch Petronius Maximus. Dieser ehelichte die Kaiserwitwe Licina Eudoxia, um seinen dauerhaften Machtanspruch zu legitimieren.

Geiserich sah sich aller Wahrscheinlichkeit in der Klärung der Nachfolgefrage übergangen, denn die kaiserliche Tochter Eudoxia sollte mit seinem Sohn Hunerich verheiratet werden, was – zumindest in den Augen Geiserichs – Hunerich ebenfalls einen Anspruch auf die kaiserliche Nachfolge gegeben hätte. Er wollte seine bzw. die Rolle der Vandalen in dem politischen Machtkonstrukt deutlich machen und mit allen Mitteln verhindern, dass an ihm vorbei Politik betrieben wurde. In erster Linie zielte er damit darauf ab, dass Personen, wie der Heermeister Avitus, das politische Vakuum nicht ausnutzten konnten, um sich selbst als Kaiser ausrufen zu lassen, denn auch die Westgoten in Gallien akzeptierten Petronius Maximus nicht als neuen Kaiser. Geiserich nutzte das Überraschungsmoment, das vor allem durch den fehlenden militärischen Rückhalt von Petronius Maximus zustande kam, und nahm die Stadt quasi ohne Wiederstand ein – es kam zu einer Übereinkunft, dass die Vandalen ohne Wiederstand eingelassen wurden und sich nehmen konnten, was sie wollten, im Gegenzug sollte es keine Angriffe auf die Bevölkerung und keine Zerstörungen von Gebäuden geben – ironischer Weise prägte dieser Einfall den Begriff des „Vandalismus“, dabei handelte es sich um das genaue Gegenteil. Auch Prokop beschreibt keine größeren Verwüstungen, allerdings spricht er davon, dass die Vandalen eine große Menge an Gold und Kunstschätzen erbeuteten, darunter sogar die vergoldeten Ziegel des Tempels von Jupiter Capitolinus.

In erster Linie wollte Geiserich allerdings sicherstellen, dass die „Kaiserfrage“ im Westreich offenblieb bzw. dass er zumindest in die Entscheidung einbezogen wurde. Aus diesem Grund nahm er die Kaiserwitwe Licinia Eudoxia als Geisel sowie ihre beiden Töchter Eudocia und Placidia. Erst im Jahr 462, nachdem Eudocia mit seinem Sohn Hunerich verheiratet worden war und damit – zumindest nominell – auch von seiner Seite ein Herrschaftsanspruch bestand, ließ er sie wieder frei. Geiserich nutzte nicht nur die nordafrikanischen Ressourcen, um Rom wirtschaftlich unter Druck zu setzen – z.B. durch das Einstellen der Getreidelieferungen an die Hauptstadt, vielmehr nutzte er geschickt das dynastische Denken der Römer (welches wohl grundsätzlich auch dem vandalischen entsprochen haben wird) für sich und die Durchsetzung seiner Anliegen und machte sich und seine Vandalen zu einem unentbehrlichem Teil im Spiel um die Macht Roms.

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Kimon überführt die Gebeinde des Theseus

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Plutarch
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Plut. Kim. 8.3-6 – Original:

[3] ὤικισαν δὲ καὶ Σκῦρον ἑλόντος Κίμωνος ἐξ αἰτίας τοιαύτης. Δόλοπες ᾤκουν τὴν νῆσον, ἐργάται κακοὶ γῆς: ληϊζόμενοι δὲ τὴν θάλασσαν ἐκ παλαιοῦ, τελευτῶντες οὐδὲ τῶν εἰσπλεόντων παρ᾽ αὐτοὺς καὶ χρωμένων ἀπείχοντο ξένων, ἀλλὰ Θετταλούς τινας ἐμπόρους περὶ τὸ Κτήσιον ὁρμισαμένους συλήσαντες εἷρξαν. [4] ἐπεὶ δὲ διαδράντες ἐκ τῶν δεσμῶν οἱ ἄνθρωποι δίκην κατεδικάσαντο τῆς πόλεως Ἀμφικτυονικήν, οὐ βουλομένων τὰ χρήματα τῶν πολλῶν συνεκτίνειν, ἀλλὰ τοὺς ἔχοντας καὶ διηρπακότας ἀποδοῦναι κελευόντων, δείσαντες ἐκεῖνοι πέμπουσι γράμματα πρὸς Κίμωνα, κελεύοντες ἥκειν μετὰ τῶν νεῶν ληψόμενον τὴν πόλιν ὑπ᾽ αὐτῶν ἐνδιδομένην. [5] παραλαβὼν δ᾽ οὕτω τὴν νῆσον ὁ Κίμων τοὺς μὲν Δόλοπας ἐξήλασε καὶ τὸν Αἰγαῖον ἠλευθέρωσε, πυνθανόμενος δὲ τὸν παλαιὸν Θησέα τὸν Αἰγέως φυγόντα μὲν ἐξ Ἀθηνῶν εἰς Σκῦρον, αὐτοῦ δ᾽ ἀποθανόντα δόλῳ διὰ φόβον ὑπὸ Λυκομήδους τοῦ βασιλέως, [6] ἐσπούδασε τὸν τάφον ἀνευρεῖν. καὶ γὰρ ἦν χρησμὸς Ἀθηναίοις τὰ Θησέως λείψανα κελεύων ἀνακομίζειν εἰς ἄστυ καὶ τιμᾶν ὡς ἥρωα πρεπόντως, ἀλλ᾽ ἠγνόουν ὅπου κεῖται, Σκυρίων οὐχ ὁμολογούντων οὐδ᾽ ἐώντων ἀναζητεῖν. τότε δὴ πολλῇ φιλοτιμίᾳ τοῦ σηκοῦ μόγις ἐξευρεθέντος, ἐνθέμενος ὁ Κίμων εἰς τὴν αὑτοῦ τριήρη τὰ ὀστᾶ καὶ τἆλλα κοσμήσας μεγαλοπρεπῶς κατήγαγεν εἰς τὴν αὐτοῦ δι᾽ ἐτῶν σχεδὸν τετρακοσίων. ἐφ᾽ ᾧ καὶ μάλιστα πρὸς αὐτὸν ἡδέως ὁ δῆμος ἔσχεν.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Bernadotte Perrin
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

[3] They settled Scyros too, which Cimon seized for the following reason. Dolopians were living on the island, but they were poor tillers of the soil. So they practised piracy on the high sea from of old, and finally did not withhold their hands even from those who put into their ports and had dealings with them, but robbed some Thessalian merchants who had cast anchor at Ctesium, and threw them into prison. [4] When these men had escaped from bondage and won their suit against the city at the Amphictyonic assembly, the people of Scyros were not willing to make restitution, but called on those who actually held the plunder to give it back. The robbers, in terror, sent a letter to Cimon, urging him to come with his fleet to seize the city, and they would give it up to him. [5] In this manner Cimon got possession of the island, drove out the Dolopians and made the Aegean a free sea. On learning that the ancient Theseus, son of Aegeus, had fled in exile from Athens to Scyros, but had been treacherously put to death there, through fear, by Lycomedes the king, Cimon eagerly sought to discover his grave. [6] For the Athenians had once received an oracle bidding them bring back the bones of Theseus to the city and honor him as became a hero, but they knew not where he lay buried, since the Scyrians would not admit the truth of the story, nor permit any search to be made. Now, however, Cimon set to work with great ardour, discovered at last the hallowed spot, had the bones bestowed in his own trireme, and with general pomp and show brought them back to the hero’s own country after an absence of about four hundred years. This was the chief reason why the people took kindly to him.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Plut. Kim. 8.3-6

Leitfragen:

1) Wovon handelt die Quellenstelle?

2) Welches Interesse hatte Kimon an der Rückführung der Gebeine?

3) Welche Bedeutung hatten die Rückführung der Gebeine für Athen?

Kommentar:

Die vorliegende Quellenstelle ist ein Auszug aus der Kimon-Vita des Plutarch (um 50 bis 120 n. Chr.). Plutarch schildert hier die Überführung der „Gebeine“ des Theseus, des mythischen Königs und Staatsheros der Athener, von der Insel Skyros nach Athen durch den athenischen Politiker Kimon. In der Quelle heißt es, dass die Doloper, die die Insel Sykros bewohnten, das Land schlecht bewirtschafteten und Seeräuberei betrieben. Zudem überfielen sie thrakische Kaufleute und nahmen sie gefangen. Als diese aus der Haft entkamen, erwirkten sie beim Gericht der Amphiktyonie (Staatenbund zur Verwaltung eines Heiligtums) ein Urteil gegen die Doloper. Einige auf Sykros lebende Doloper, die sich nicht schuldig fühlten, wollten sich dem Amphiktyonen-Spruch jedoch nicht beugen und riefen deswegen den Athener Kimon um Hilfe, damit das Urteil gegen sie nicht umgesetzt werde. Kimon hat daraufhin die Insel eingenommen, die Doloper vertrieben und die Ägäis von der Seeräuberei befreit. Während der Eroberung der Insel erfuhr Kimon, dass dort der alte König Theseus getötet worden sei und suchte deswegen nach dessen Grab. Denn ein Orakel hatte den Athenern aufgetragen, die Gebeine des Theseus nach Athen zu holen. Daraufhin suchten und fanden die Athener das Grab und Kimon ließ die Gebeine auf seine Triere bringen, die prunkvoll geschmückt war. So führte er die Gebeine des Theseus nach 400 Jahren wieder nach Athen und wurde dafür von den Bürgern Athens verehrt.

Dass der Athener Kimon die Gebeine des Theseus, wahrscheinlich um 476/5 v. Chr., in einem Triumphzug nach Athen überführte, wird in der Forschung als historisch anerkannt. Kimon, Sohn des Marathonsiegers Miltiades und führender Mann des altehrwürdigen Geschlechts der Philaiden, war zu dem Zeitpunkt der Überführung der Gebeine des Theseus einer der herausragendsten Köpfe der athenischen Politik. Die Eroberung der im ägäischen Meer gelegenen Insel Skyros durch diesen steht dabei sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit den frühen Aktivitäten des 478/7 v. Chr. gegründeten delisch-attischen Seebundes, an dessen Gründung Kimon entscheidend beteiligt war. Kimon erlangte durch die Eroberung von Skyros nicht nur einen Erfolg als Heerführer, sondern konnte sich auch als Politiker etablieren, indem er im Anschluss an den kriegerischen Akt der Einnahme der Insel die Heimführung der Gebeine des Theseus initiierte. Kimon konnte seinem Profil dadurch einen deutlichen religionspolitischen Akzent hinzufügen. Die Eroberung, das Auffinden des vermeintlichen Grabes sowie die Rückführung der Gebeine bedeutete für Kimon einen Zugewinn an Ansehen und Einfluss für sich und sein Geschlecht. Mit der berühmten Überführung gelang es Kimon somit, das Idealbild eines Atheners zu verkörpern, der Tatkraft und Tugend auf sich vereinte, eine Gelegenheit, die er sich nicht entgehen lassen konnte.

Die Eroberung der Insel Skyros diente dem Aufbau und der Konsolidierung des noch jungen delisch-attischen Seebundes und der Stellung Athens innerhalb dieses Verbundes. Die anschließende Überführung der Gebeine des Theseus hatte hingegen eine andere, nämlich besonders symbolische Bedeutung. Theseus galt den Athenern als Stammesheros und die Rückführung seiner Gebeine nach Athen daher als große Heimkehr des Nationalhelden. In Athen selbst errichtete man dem Heros daraufhin eine Gedenkstätte, das Theseion. Das Theseion wurde dabei mit bedeutenden Sagenszenen aus dem Leben des Theseus geschmückt, wie etwa seinen Kämpfen gegen die Amazonen oder Kentauren. Diese Erinnerungen an die Taten des Theseus versinnbildlichten auf symbolische Weise den erfolgreichen Widerstand gegen fremde Invasoren und stellten damit gleichzeitig eine Verbindung zu den jüngst siegreich gefochtenen Schlachten der Athener gegen die Perser her. Die Perserkriege wurden auf diese Weise mythologisiert und erhöht. Durch die Rückführung der Gebeine des Theseus konnten die Athener somit einen Zusammenhang zwischen den heroischen und historischen Taten herstellen und damit gleichsam ihren Führungsanspruch im Ägäisraum begründen. Nicht unerwähnt sollte darüber hinaus bleiben, dass Kimon durch die Rückführung der Gebeine des Theseus zu einer Überhöhung der eigenen Familiengeschichte beitrug, da das kimonische Geschlecht der Philaiden sich damit rühmte, von Theseus abzustammen.

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Ephialtes und die Entmachtung des Areopag

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Aristoteles oder Schüler des Aristoteles
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Ath.pol.25 – Original:

[1] ἡ μὲν οὖν τροφὴ τῷ δήμῳ διὰ τούτων ἐγίγνετο. ἔτη δὲ ἑπτακαίδεκα μάλιστα μετὰ τὰ Μηδικὰ διέμεινεν ἡ πολιτεία προεστώτων τῶν Ἀρεοπαγιτῶν, καίπερ ὑποφερομένη κατὰ μικρόν. αὐξανομένου δὲ τοῦ πλήθους, γενόμενος τοῦ δήμου προστάτης Ἐφιάλτης ὁ Σοφωνίδου, ͅͅ δοκῶν καὶ ἀδωροδόκητος εἶναι καὶ δίκαιος πρὸς τὴν πολιτείαν, ἐπέθετο τῇ βουλῇ. [2] καὶ πρῶτον μὲν ἀνεῖλεν πολλοὺς τῶν Ἀρεοπαγιτῶν, ἀγῶνας ἐπιφέρων περὶ τῶν διῳκημένων. ἔπειτα τῆς βουλῆς ἐπὶ Κόνωνος ἄρχοντος ἅπαντα περιεῖλε τὰ ἐπίθετα δι᾽ ὧν ἦν ἡ τῆς πολιτείας φυλακή, καὶ τὰ μὲν τοῖς πεντακοσίοις, τὰ δὲ τῷ δήμῳ καὶ τοῖς δικαστηρίοις ἀπέδωκεν. [3] ἔπραξε δὲ ταῦτα συναιτίου γενομένου Θεμιστοκλέους, ὃς ἦν μὲν τῶν Ἀρεοπαγιτῶν, ἔμελλε δὲ κρίνεσθαι μηδισμοῦ. βουλόμενος δὲ καταλυθῆναι τὴν βουλὴν ὁ Θεμιστοκλῆς πρὸς μὲν τὸν Ἐφιάλτην ἔλεγεν ὅτι συναρπάζειν αὐτὸν ἡ βουλὴ μέλλει, πρὸς δὲ τοὺς Ἀρεοπαγίτας, ὅτι δείξει τινὰς συνισταμένους ἐπὶ καταλύσει τῆς πολιτείας. ἀγαγὼν δὲ τοὺς αἱρεθέντας τῆς βουλῆς οὗ διέτριβεν ὁ Ἐφιάλτης, ἵνα δείξῃ τοὺς ἀθροιζομένους, διελέγετο μετὰ σπουδῆς αὐτοῖς. [4] ὁ δ᾽ Ἐφιάλτης ὡς εἶδεν καταπλαγείς, καθίζει μονοχίτων ἐπὶ τὸν βωμόν. θαυμασάντων δὲ πάντων τὸ γεγονός, καὶ μετὰ ταῦτα συναθροισθείσης τῆς βουλῆς τῶν πεντακοσίων, κατηγόρουν τῶν Ἀρεοπαγιτῶν ὅ τ᾽ Ἐφιάλτης καὶ ὁ Θεμιστοκλῆς, καὶ πάλιν ἐν τῷ δήμῳ τὸν αὐτὸν τρόπον, ἕως περιείλοντο αὐτῶν τὴν δύναμιν. καὶ ἀνῃρέθη δὲ καὶ ὁ Ἐφιάλτης δολοφονηθεὶς μετ᾽ οὐ πολὺν χρόνον δι᾽ Ἀριστοδίκου τοῦ Ταναγραίου.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: H. Rackham
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

[1] By these means the people were provided with their food-supply. The constitution remained under the leadership of the Areopagites for about seventeen years after the Persian War, although it was being gradually modified. But as the population increased, Ephialtes son of Sophonides, having become head of the People and having the reputation of being incorruptible and just in regard to the constitution, attacked the Council. [2] First he made away with many of the Areopagites by bringing legal proceedings against them about their acts of administration; then in the archonship of Conon he stripped the Council of all its added powers which made it the safeguard of the constitution, and assigned some of them to the Five Hundred and others to the People and to the jury-courts. [3] For these acts of Ephialtes, Themistocles was partly responsible; he was a member of the Areopagus, but was destined to be put on trial for treasonable dealings with Persia. Themistocles desiring the Council to be destroyed used to tell Ephialtes that the Council was going to arrest him, while he told the Areopagites that he would give information about certain persons who were conspiring to destroy the constitution. And he used to take selected members of the Council to the place where Ephialtes resided to show them the people collecting there, and conversed with them seriously. [4] Ephialtes was dismayed when he saw this, and took his seat at the altar in only his shirt. Everybody was amazed at what had happened, and afterwards when the Council of Five Hundred assembled Ephialtes and Themistocles kept on denouncing the Areopagites, and again similarly at the meetings of the people, until they deprived them of their power. And also Ephialtes was actually made away with not long after, being craftily murdered by Aristodicus of Tanagra.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Ath.pol.25

Leitfragen:

1) Wovon handelt die Quellenstelle?

2) Worin genau bestand die Entmachtung des Areopags durch Ephialtes?

3) Welche Folgen hatte die Entmachtung des Areopags für Athen?

Kommentar:

Unsere ausführlichste Quelle zur Entmachtung des Areopags durch Ephialtes ist die vorliegende Quellenstelle aus der Athenaion Politeia (AP) des Aristoteles oder eines seiner Schüler. In diesem Bericht heißt es, dass Ephialtes, der aufgrund seiner Unbestechlichkeit und Verfassungstreue in den 60er Jahren des 5. Jh. v. Chr. führender Politiker in Athen war, zur Zeit des Archontats des Konon (462/61 v. Chr.) den Rat auf dem Areopag angriff. Zudem, so die AP, soll Ephialtes dem Areopag bedeutende gerichtliche Kompetenzen entzogen und diese auf den Rat der 500, das Volk und die Geschworenengerichte übertragen haben. Ephialtes erhielt bei der Entmachtung des Areopag Unterstützung von Themistokles, dem es zusammen mit Ephialtes gelang, den Areopag vor der Boule und der Volksversammlung anzuklagen. Schlussendlich jedoch, so der Bericht der AP, fiel Ephialtes einem Mordanschlag des Aristodikos von Tanagra zum Opfer.

Die Frage danach, worin genau die Entmachtung des Areopags durch Ephialtes bestand, ist nicht leicht zu beantworten und in der Forschung umstritten, da aufgrund der Quellenarmut nicht eindeutig ist, welche Kompetenz der Areopag vor seiner Entmachtung überhaupt besaß. Zudem sind den darüber berichtenden Autoren des 4. Jh. v. Chr. selbst offenbar kaum Details über die Reformen des Ephialtes bekannt gewesen. Aus der AP erhalten wir jedoch einige wenige Informationen. So ist zu lesen, dass Ephialtes durch das Führen von Prozessen einzelne Areopagiten aufgrund ihrer Amtsführung verfolgte. Wahrscheinlich ging es Ephialtes hierbei darum, das Ansehen einzelner Areopagiten zu schwächen und damit zugleich das Prestige und die traditionelle Autorität des gesamten Gremiums nachhaltig beim Demos in Verruf zu bringen. Zudem entzog er dem Areopag laut AP alle zusätzlichen Funktionen, die den Rat zum Wächter der Verfassung gemacht hatten. Was bedeutet das? Die neuere Forschung geht davon aus, dass Ephialtes dem Rat damit die Gerichtshoheit in Bezug auf Vergehen gegen Bürgerschaft und Polis entzogen sowie ihm alle Zuständigkeiten genommen habe, die mit der Kontrolle von Beamten einhergingen, d.h. die dokimasίai, die Prüfung der Bedingung für Ämter, sowie die euthýnai, die Prüfung der Amtsführung von Beamten. Zusammengenommen muss Ephialtes bei seinen Reformen wohl vor allem daran gelegen gewesen sein, der traditionell aristokratischen Institution des Areopags die Möglichkeit des direkten Einflusses auf den Kurs der Politik und seine konkrete Umsetzung zu entziehen. Durch die Übertragung der Kompetenzen auf das Volk und dessen Organe sollte vielmehr eine neue Kontrolle über allzu selbstherrliche aristokratische Politiker ausgeübt werden. Dadurch avancierte das Volk zur mächtigsten Instanz im Staat.

Durch Ephialtesʼ gerichtliche Kampagnen gegen mehrere führende Areopagiten und die Übertragung und die Verlagerung der politischen Macht auf das Volk ist die aristokratische Führungsschichte als Gruppe sowie der Areopag als Institution belastet worden und stand nun gewissermaßen als Kollektiv für ein veraltetes Verhalten, das den neuen politischen Verhältnissen der umfassenden Rechte und Entscheidungskompetenzen des Volkes im Wege stand. Es besteht kein Zweifel daran, dass die von Ephialtes beschlossenen Maßnahmen insofern zukunftsweisend waren und entscheidend dazu beitrugen, dass das institutionelle Gefüge in Athen in der folgenden Zeit in stärkerem Maße als Demokratie empfunden wurde, in welcher die Verfügungsgewalt des Demos essentiell war. Es handelt sich bei den Reformen des Ephialtes dabei nicht um eine grundlegend neue Konstituierung der Demokratie, denn die Voraussetzung für die Umsetzung seiner Reformen war durch die in den Jahren zuvor erstarkte Volksversammlung schon im Ansatz vorhanden. Die Reformen des Ephialtes bedeuteten jedoch die Bestätigung und Erweiterung der Macht des Volkes, wodurch die demokratische Staatsform Athens ihre grundlegende Ausformung erlangte.

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Der Machtkampf zwischen Kleisthenes und Isagoras

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Herodot
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Hdt. 5. 66 – 72.2 – Original:

Ἀθῆναι, ἐοῦσαι καὶ πρὶν μεγάλαι, τότε ἀπαλλαχθεῖσαι τυράννων ἐγίνοντο μέζονες: ἐν δὲ αὐτῇσι δύο ἄνδρες ἐδυνάστευον, Κλεισθένης τε ἀνὴρ Ἀλκμεωνίδης, ὅς περ δὴ λόγον ἔχει τὴν Πυθίην ἀναπεῖσαι, καὶ Ἰσαγόρης Τισάνδρου οἰκίης μὲν ἐὼν δοκίμου, ἀτὰρ τὰ ἀνέκαθεν οὐκ ἔχω φράσαι: θύουσι δὲ οἱ συγγενέες αὐτοῦ Διὶ Καρίῳ. [2] οὗτοι οἱ ἄνδρες ἐστασίασαν περὶ δυνάμιος, ἑσσούμενος δὲ ὁ Κλεισθένης τὸν δῆμον προσεταιρίζεται. μετὰ δὲ τετραφύλους ἐόντας Ἀθηναίους δεκαφύλους ἐποίησε, τῶν Ἴωνος παίδων Γελέοντος καὶ Αἰγικόρεος καὶ Ἀργάδεω καὶ Ὅπλητος ἀπαλλάξας τὰς ἐπωνυμίας, ἐξευρὼν δὲ ἑτέρων ἡρώων ἐπωνυμίας ἐπιχωρίων, πάρεξ Αἴαντος: τοῦτον δὲ ἅτε ἀστυγείτονα καὶ σύμμαχον, ξεῖνον ἐόντα προσέθετο.

[…]

ὡς γὰρ δὴ τὸν Ἀθηναίων δῆμον πρότερον ἀπωσμένον τότε πάντων πρὸς τὴν ἑωυτοῦ μοῖραν προσεθήκατο, τὰς φυλὰς μετωνόμασε καὶ ἐποίησε πλεῦνας ἐξ ἐλασσόνων: δέκα τε δὴ φυλάρχους ἀντὶ τεσσέρων ἐποίησε, δέκαχα1δὲ καὶ τοὺς δήμους κατένειμε ἐς τὰς φυλάς: ἦν τε τὸν δῆμον προσθέμενος πολλῷ κατύπερθε τῶν ἀντιστασιωτέων.
ἐν τῷ μέρεϊ δὲ ἑσσούμενος ὁ Ἰσαγόρης ἀντιτεχνᾶται τάδε: ἐπικαλέεται Κλεομένεα τὸν Λακεδαιμόνιον γενόμενον ἑωυτῷ ξεῖνον ἀπὸ τῆς Πεισιστρατιδέων πολιορκίης: τὸν δὲ Κλεομένεα εἶχε αἰτίη φοιτᾶν παρὰ τοῦ Ἰσαγόρεω τὴν γυναῖκα. τὰ μὲν δὴ πρῶτα πέμπων ὁ Κλεομένης ἐς τὰς Ἀθήνας κήρυκα ἐξέβαλλε Κλεισθένεα καὶ μετ᾽ αὐτοῦ ἄλλους πολλοὺς Ἀθηναίων, τοὺς ἐναγέας ἐπιλέγων: ταῦτα δὲ πέμπων ἔλεγε ἐκ διδαχῆς τοῦ Ἰσαγόρεω. οἱ μὲν γὰρ Ἀλκμεωνίδαι καὶ οἱ συστασιῶται αὐτῶν εἶχον αἰτίην τοῦ φόνου τούτου, αὐτὸς δὲ οὐ μετεῖχε οὐδ᾽ οἱ φίλοι αὐτοῦ.

[…]

Κλεομένης δὲ ὡς πέμπων ἐξέβαλλε Κλεισθένεα καὶ τοὺς ἐναγέας, Κλεισθένης μὲν αὐτὸς ὑπεξέσχε, μετὰ δὲ οὐδὲν ἧσσον παρῆν ἐς τὰς Ἀθήνας ὁ Κλεομένης οὐ σὺν μεγάλῃ χειρί, ἀπικόμενος δὲ ἀγηλατέει ἑπτακόσια ἐπίστια Ἀθηναίων, τά οἱ ὑπέθετο ὁ Ἰσαγόρης. ταῦτα δὲ ποιήσας δεύτερα τὴν βουλὴν καταλύειν ἐπειρᾶτο, τριηκοσίοισι δὲ τοῖσι Ἰσαγόρεω στασιώτῃσι τὰς ἀρχὰς ἐνεχείριζε. [2] ἀντισταθείσης δὲ τῆς βουλῆς καὶ οὐ βουλομένης πείθεσθαι, ὅ τε Κλεομένης καὶ ὁ Ἰσαγόρης καὶ οἱ στασιῶται αὐτοῦ καταλαμβάνουσι τὴν ἀκρόπολιν. Ἀθηναίων δὲ οἱ λοιποὶ τὰ αὐτὰ φρονήσαντες ἐπολιόρκεον αὐτοὺς ἡμέρας δύο: τῇ δὲ τρίτῃ ὑπόσπονδοι ἐξέρχονται ἐκ τῆς χώρης ὅσοι ἦσαν αὐτῶν Λακεδαιμόνιοι.

[…]

τοὺς δὲ ἄλλους Ἀθηναῖοι κατέδησαν τὴν ἐπὶ θανάτῳ, ἐν δὲ αὐτοῖσι καὶ Τιμησίθεον τὸν Δελφόν, τοῦ ἔργα χειρῶν τε καὶ λήματος ἔχοιμ᾽ ἂν μέγιστα καταλέξαι.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: A. D. Godley
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Athens, which had been great before, now grew even greater when her tyrants had been removed. The two principal holders of power were Cleisthenes an Alcmaeonid, who was reputed to have bribed the Pythian priestess, and Isagoras son of Tisandrus, a man of a notable house but his lineage I cannot say. His kinsfolk, at any rate, sacrifice to Zeus of Caria. [2] These men with their factions fell to contending for power, Cleisthenes was getting the worst of it in this dispute and took the commons into his party. Presently he divided the Athenians into ten tribes instead of four as formerly. He called none after the names of the sons of Ion—Geleon, Aegicores, Argades, and Hoples—but invented for them names taken from other heroes, all native to the country except Aias. Him he added despite the fact that he was a stranger because he was a neighbor and an ally.

[…]

When he had drawn into his own party the Athenian people, which was then debarred from all rights, he gave the tribes new names and increased their number, making ten tribe-wardens in place of four, and assigning ten districts to each tribe. When he had won over the people, he was stronger by far than the rival faction.
Isagoras, who was on the losing side, devised a counter-plot, and invited the aid of Cleomenes, who had been his friend since the besieging of the Pisistratidae. It was even said of Cleomenes that he regularly went to see Isagoras‘ wife. Then Cleomenes first sent a herald to Athens demanding the banishment of Cleisthenes and many other Athenians with him, the Accursed, as he called them. This he said in his message by Isagoras‘ instruction, for the Alcmeonidae and their faction were held to be guilty of that bloody deed while Isagoras and his friends had no part in it.
When Cleomenes had sent for and demanded the banishment of Cleisthenes and the Accursed, Cleisthenes himself secretly departed. Afterwards, however, Cleomenes appeared in Athens with no great force. Upon his arrival, he, in order to take away the curse, banished seven hundred Athenian families named for him by Isagoras. Having so done he next attempted to dissolve the Council, entrusting the offices of government to Isagoras‘ faction. [2] The Council, however, resisted him, whereupon Cleomenes and Isagoras and his partisans seized the acropolis. The rest of the Athenians united and besieged them for two days. On the third day as many of them as were Lacedaemonians left the country under truce.

[…]

As for the rest, the Athenians imprisoned them under sentence of death. Among the prisoners was Timesitheus the Delphian, whose achievements of strength and courage were quite formidable.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Hdt. 5. 66 – 72.2

Leitfragen:

1) Wovon handelt der Quellentext?

2) Wer war alles am Machtkampf zwischen Isagoras und Kleisthenes beteiligt?

3) Welche Rückschlüsse auf Kleinsthenesʼ Vorgehen zeigt die Entwicklung der Ereignisse?

Kommentar:

In dieser Quellenstelle beschreibt der griechische Historiker Herodot die innerathenischen Machtkämpfe und die damit einhergehenden dramatischen Ereignisse, die sich Ende des 6. Jh. v. Chr. in Athen zutrugen. Die Protagonisten der Auseinandersetzung um die Macht in Athen waren der Alkmeonide Kleisthenes und sein Kontrahent Isagoras, Sohn des Teisandros. Herodot berichtet, dass Kleisthenes anfänglich unterlag und es Isagoras gelang, sich das Archontenamt für das Jahr 508/507 zu sichern. Später konnte Kleisthenes jedoch durch eine Phylenreform, mit welcher er aus vier bestehenden Phylen zehn neue Phylen schuf, das Volk der Athener, wie Herodot schreibt, gänzlich auf seine Seite bringen. Isagoras, der die von Kleistehens beantragte Verfassungsänderung fürchtete, sah sich gezwungen, gegen den drohenden Machtverlust vorzugehen. Deswegen rief er den spartanischen König Kleomenes, der sein Gastfreund war, zur Hilfe. Dieser forderte auf Geheiß des Isagroas die Verbannung des Kleisthenes und seiner athenischen Anhänger. Begründet wurde diese Forderung mit der Schuld, die sich das Geschlecht des Kleistehens drei Generationen vorher mit dem sogenannten Kylonischen Frevel aufgeladen hatte. So musste der „fluchbeladene“ Kleisthenes die Stadt verlassen und seine politischen Anhänger, 700 athenische Familien, wurden von Kleomenes‘ Heer vertrieben. Isagoras und Kleomenes versuchten daraufhin, den von Kleisthenes gegründeten Rat in Athen aufzulösen und durch eigene Anhänger zu ersetzen. Weil sich der Rat jedoch widersetzte, besetzten Kleomenes und Isagoras die Akropolis. Hier wurden sie jedoch zwei Tage lang belagert, bis sie schließlich am dritten Tag die Stadt verlassen mussten. Die übrigen Anhänger Isagoras‘ wurden von den Athenern festgenommen und hingerichtet.

Herodot berichtet zu Beginn der oben angeführten Quellenstelle, dass Kleisthenes im anfänglichen Machtkampf seinem Kontrahenten und dessen Gefolgschaft unterlag. Danach, so Herodot, habe Kleisthenes den Demos zu seiner Hetairie hinzugewonnen. Im Machtkampf zwischen Kleisthenes und Isagoras waren also auch Gruppen von Menschen beteiligt, die sich auf die eine oder die andere Seite stellten. Dabei handelte es sich um sogenannte Hetairien, also adlige Gefährten der einzelnen Kontrahenten. Die Hetairien waren ein ausgewählter Kreis adliger Tischgenossen von etwa zehn Personen. Es war ein gängiges Prinzip, dass einzelne Adlige mit Unterstützung der Familien, ihrer Verwandtschaft aber eben auch ihrer Hetairoi versuchten, politischen Einfluss in den jeweiligen Poleis zu erlangen. Wahrscheinlich ist, dass Isagoras und anfänglich auch Kleisthenes ebenfalls auf diesem Wege versuchten, den Kampf für sich zu entscheiden. Interessant ist jedoch, dass Herodot darüber hinaus auch von Freunden bzw. Parteigängern (συστασιῶται) der Männer spricht. Dies lässt Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Anhängerschaft von Isagoras und Kleisthenes zu. So nennt Herodot insgesamt 300 Parteifreunde des Isagoras und 700 befreundete Familien des Kleisthenes. Diese Zahlen können nicht auf die oben erwähnten ursprünglichen Hetairien der Kontrahenten zurückgehen. Es kann deswegen davon ausgegangen werden, dass sich den beiden Gegenspielern jeweils mehrere Hetairien anschlossen, als sich der Konflikt zuspitzte. Vermutlich handelte es sich insgesamt um eine größere und komplexere Struktur der Anhängerschaften, die in den Machtkampf zwischen Isagoras und Kleisthenes involviert waren. Der innere Zirkel bestand aber wohl nach wie vor aus dem engsten Freundeskreis, den Hetairoi.

Wie Herodot berichtet, war es Kleisthenes anfangs offenbar nicht gelungen, den Machtkampf für sich zu entscheiden. Isagoras hingegen erreichte, für das Jahr 508/507 zum Archon gewählt zu werden. Kleistehens muss daraufhin erkannt haben, dass seine bisherigen Mittel zur Einflussname ihren Zweck nicht erfüllten. Wahrscheinlich nahm er dies zum Anlass, sein Vorgehen zu ändern. Herodot schildert anschaulich, dass der vorerst unterlegene Kleisthenes nun versuchte, das Volk auf seine Seite zu ziehen. Und es gelang ihm wohl, in relativ kurzer Zeit auch breitere Kreise der Mittel- und Unterschicht für sich zu gewinnen. Wie war das möglich? Denkbar ist, dass Kleisthenes schon zu diesem Zeitpunkt, lange bevor seine Reformen endgültig umgesetzt wurden, seine Konzeption einer politischen Neuordnung Attikas der Öffentlichkeit (vielleicht in der Volksversammlung) vorstellte und diese dabei – weil sie von relevantem Interesse für den Demos waren – Zustimmung fanden. Nicht anders ist auch der von Herodot beschriebene, ungewöhnlich starke Widerstand des Demos gegen die militärische Intervention des Kleomenes und die Obstruktion des Isagoras zu erklären. Kleisthenes muss dem Demos eine politische Neuordnung Attikas vorgeschlagen haben, die eine attraktive Alternative zum Bestehenden dargestellt haben muss. Der Widerstand des Demos gegen Isagoras und Kleomenes war damit auch eine Absage an die alte Ordnung und das Verhalten der Aristokraten, das man in Isagoras und seinen Anhänger klassischerweise verkörpert sah.

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Der Kallias-Frieden

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Diodor
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Diodor 12,4,4-6 – Original:

[4] Ἀρταξέρξης δὲ ὁ βασιλεὺς πυθόμενος τὰ περὶ τὴν Κύπρον ἐλαττώματα, καὶ βουλευσάμενος μετὰ τῶν φίλων περὶ τοῦ πολέμου, ἔκρινε συμφέρειν εἰρήνην συνθέσθαι πρὸς τοὺς Ἕλληνας. ἔγραψε τοίνυν τοῖς περὶ Κύπρον ἡγεμόσι καὶ σατράπαις, ἐφ᾽ οἷς ἂν δύνωνται συλλύσασθαι πρὸς τοὺς Ἕλληνας. [5] διόπερ οἱ περὶ τὸν Ἀρτάβαζον καὶ Μεγάβυζον ἔπεμψαν εἰς τὰς Ἀθήνας πρεσβευτὰς τοὺς διαλεξομένους περὶ συλλύσεως. ὑπακουσάντων δὲ τῶν Ἀθηναίων καὶ πεμψάντων πρέσβεις αὐτοκράτορας, ὧν ἡγεῖτο Καλλίας ὁ Ἱππονίκου, ἐγένοντο συνθῆκαι περὶ τῆς εἰρήνης τοῖς Ἀθηναίοις καὶ τοῖς συμμάχοις πρὸς τοὺς Πέρσας, ὧν ἐστι τὰ κεφάλαια ταῦτα: αὐτονόμους εἶναι τὰς κατὰ τὴν Ἀσίαν Ἑλληνίδας πόλεις ἁπάσας, τοὺς δὲ τῶν Περσῶν σατράπας μὴ καταβαίνειν ἐπὶ θάλατταν κατωτέρω τριῶν ἡμερῶν ὁδόν, μηδὲ ναῦν μακρὰν πλεῖν ἐντὸς Φασήλιδος καὶ Κυανέων: ταῦτα δὲ τοῦ βασιλέως καὶ τῶν στρατηγῶν ἐπιτελούντων, μὴ στρατεύειν Ἀθηναίους εἰς τὴν χώραν, ἧς βασιλεὺς ἄρχει. [6] συντελεσθεισῶν δὲ τῶν σπονδῶν Ἀθηναῖοι τὰς δυνάμεις ἀπήγαγον ἐκ τῆς Κύπρου, λαμπρὰν μὲν νίκην νενικηκότες, ἐπιφανεστάτας δὲ συνθήκας πεποιημένοι. συνέβη δὲ καὶ τὸν Κίμωνα περὶ τὴν Κύπρον διατρίβοντα νόσῳ τελευτῆσαι.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: C. H. Oldfather
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

[4] Artaxerxes the king, however, when he learned of the reverses his forces had suffered at Cyprus, took counsel on the war with his friends and decided that it was to his advantage to conclude a peace with the Greeks. Accordingly he dispatched to the generals in Cyprus and to the satraps the written terms on which they were permitted to come to a settlement with the Greeks. [5] Consequently Artabazus and Megabyzus sent ambassadors to Athens to discuss a settlement. The Athenians were favourable and dispatched ambassadors plenipotentiary, the leader of whom was Callias the son of Hipponicus; and so the Athenians and their allies concluded with the Persians a treaty of peace, the principal terms of which run as follows: All the Greeks cities of Asia are to live under laws of their own making; the satraps of the Persians are not to come nearer to the sea than a three days‘ journey and no Persian warship is to sail inside of Phaselis or the Cyanean Rocks; and if these terms are observed by the king and his generals, the Athenians are not to send troops into the territory over which the king is ruler. [6] After the treaty had been solemnly concluded, the Athenians withdrew their armaments from Cyprus, having won a brilliant victory and concluded most noteworthy terms of peace. And it so happened that Cimon died of an illness during his stay in Cyprus.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Diodor 12,4,4-6

Leitfragen:

1) Worin bestand der Kallias-Frieden?

2) Warum wurde der Kallias-Frieden geschlossen?

3) Hat es den Kallias-Frieden wirklich gegeben?

Kommentar:

Diodors Bericht über das Zustandekommen des sogenannten Kallias-Friedens findet sich im zwölften Buch seines aus 40 Büchern bestehenden Geschichtswerks Bibliotheke, einer Universalgeschichte von der Entstehung der Welt bis ins 1. Jh. v. Chr. Diodor berichtet hier über einen Vertrag zwischen Athen und Persien, der nach dem daran federführend beteiligten Athener Kallias benannt ist. In der Quelle heißt es, dass der persische Großkönig Artaxerxes I. sich dazu entschied, Frieden mit den Griechen zu schließen und dafür ein Treffen mit athenischen Gesandten arrangierte. Die Athener willigten ein und unter der Führung des Kallias wurde 449/448 v. Chr. (diese Zeitangabe von Diodor geht der obigen Quellenpassage voraus) Frieden zwischen Athen mit seinen Bundesgenossen und Persien geschlossen. Aus der Quelle erfahren wir zudem, welche Vertragsbedingungen bei dem Kallias-Frieden ausgehandelt wurden: 1) Die griechischen Poleis in Kleinasien bleiben autonom 2) Persische Streitkräfte dürfen sich der kleinasiatischen Küste nur bis auf drei Tagesmärsche nähern 3) Persische Kriegsschiffe dürfen die Ägäis zwischen den Chelidonischen Inseln im Süden und den Eingang am thrakischen Bosporus im Norden nicht befahren 4) Den Athenern ist es verboten, Angriffe auf persische Gebiete zu unternehmen.

Dem Kallias-Frieden gingen die in der ersten Hälfte des 5. Jh. v. Chr. geführten Kämpfe zwischen den Persern und den Griechen voraus. Persien versuchte seit Beginn des 5. Jh. durch verschiedene gewaltsame Unternehmungen, Griechenland in sein Reich einzugliedern. Dieses Vorhaben der truppenmäßig überlegenen Perser scheiterte jedoch wiederholt an dem von Sparta und Athen geleiteten Bündnis vereinter griechischer Heere. In mehreren Schlachten, wie etwa der von Marathon, Plataiai und Salamis, unterlagen die Perser den Griechen. Die Niederlagen der Perser führte im Umkehrschluss zu einer Verschiebung der griechischen Verteidigungslinie nach Osten und zu aggressiven Unternehmungen der Griechen gegen die Perser unter dem Vorwand der Rache. Nach einer Offensive gegen Persien unter dem Athener Kimon um 450 v. Chr. auf Zypern und einem Sieg gegen Verbündete der Perser bei Salamis auf Zypern kam es laut Diodor 449/448 zum oben beschriebenen Kallias-Frieden. Bei Diodor heißt es, Artaxerxes habe es für gut befunden, mit den Athenern Frieden zu schließen. Nach dieser Schilderung scheinen die Perser nach den bedeutenden Niederlagen gegen die Griechen also ein ernsthaftes Interesse an den Friedensverhandlungen gehabt zu haben. Dies könnte auch die starke Verhandlungsposition der Athener begründen. Diodors Bericht nach zu urteilen sind die Perserkriege mit dem Kallias-Frieden endgültig beigelegt. Allerdings sind die Datierung und Existenz dieser Vereinbarung in der modernen Forschung umstritten.

Die Frage der Historizität des Kallias-Friedens wird in der Forschung nach wie vor diskutiert. Zu dieser Debatte hat etwa die Tatsache geführt, dass Autoren erst ab dem 4. Jh. v. Chr. beginnen, über den (vermeintlich) im 5. Jh. v. Chr. geschlossenen Friedensvertrag zu berichten. Zeitgenössische Autoren wie Herodot und Thukydides erwähnen den Kallias-Frieden gar nicht. Andere Autoren, wie Kallisthenes oder Theopomp, leugnen den Kallias-Frieden sogar. Grundsätzlich ist auch nicht einleuchtend, weshalb die athenische Führung einer Einigung mit Persien überhaupt zustimmen sollte, da die Macht der Athener aus dem Seebund erwuchs, der einzig der Abwehr der Perser diente. Und so wird neben der Frage nach der korrekten Datierung des Friedensvertrages auch die Frage nach der Existenz des Kallias-Friedens gestellt. Auch wenn diese Fragen hier nicht im Detail erörtert werden können, soll dennoch davon ausgegangen werden, dass es zumindest ein informelles Abkommen gegeben haben muss, das die Kämpfe zwischen den Persern und den Griechen beendet hat. Mit diesem Abkommen haben die Athener de facto die Vorherrschaft in der Ägäis erreicht und konnten sich nun vermehrt der angespannten Situation in Griechenland widmen, wo es zu zunehmenden Auseinandersetzungen mit Sparta kam. Nach dem Doppelschlag bei Salamis gegen die Perser hat es jedenfalls faktisch tatsächlich und auf lange Zeit keine Kämpfe mehr zwischen Persern und Griechen gegeben.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Kleisthenischen Reformen / Die athenische Außenpolitik des 5. Jahrhunderts“. Um einen breiteren Einblick in die Klassik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte II – Klassik“.
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