06 – Der Untergang der Römischen Republik

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in:
Werner Rieß
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CC-BY-NC-SA

Römische Geschichte I: Die Republik

06 – Der Untergang der Römischen Republik

Im letzten Podcast haben wir davon gehandelt, wie das erste Triumvirat die politischen Machtverhältnisse in Rom verschob, weg von der Senatsherrschaft hin zu einer Militärdiktatur, ausgeübt von drei Männern. Durch den Gallischen Krieg war Caesar nun an Macht und Prestige Pompeius ebenbürtig. Es war offenkundig, dass sie um die Macht konkurrieren würden.
Offiziell ging es darum, wie Caesar nach dem Ablauf seine Kommandos in Gallien seine Machtposition behalten können würde. Er war nicht bereit, seine Armee aufzulösen und als Privatmann nach Rom zu kommen, denn dann hätten ihm Anklagen gedroht. Es begann ein diplomatisches und juristisches Tauziehen um prozedurale Fragen. Am Ende schafft es Caesar, die Schuld am Ausbruch des Bürgerkrieges der Senatspartei zuzuweisen. Als er den Rubicon überschritt und auf Rom marschierte, war Pompeius schlechter gerüstet als Caesar. Die Republikaner um Pompeius waren sofort in der Defensive und flohen nach Griechenland. Caesar wandte sich zuerst nach Spanien und schaltete dort Legionen des Pompeius aus, um dann den Rücken für den Kampf im Osten frei zu haben. Im Sommer 48 besiegt er Pompeius in der Schlacht von Pharsalos. Pompeius flieht nach Ägypten und wird dort von Ptolemaios XIII. ermordet. Damit ist die Senatspartei aber immer noch nicht geschlagen.
Im Alexandrinischen Krieg, in dessen Verlauf auch die berühmte Bibliothek von Alexandria abbrannte, sicherte sich Caesar Ägypten und wandte sich dann nach Asien, wo er im Jahre 47 Pharnakes, den Sohn des Mithridates, in der Schlacht von Zela in Pontos besiegte. Mittlerweile hatte Metellus Scipio eine neue optimatische Streitmacht in Africa aufgestellt. In der Schlacht von Thapsus besiegte Caesar die Republikaner, Africa Nova wurde als neue Provinz eingerichtet, deren erster Statthalter der spätere Historiker Sallust wurde.
Nach der Schlacht von Munda in Spanien gegen Gnaeus Pompeius, den Sohn des Magus, und Titus Labienus, war Caesar der Herr der Welt und nannte sich Befreier, liberator. Caesars Ehrungen überstiegen nun alle Maßen, im Jahre 45 erklärte er sich zum dictator perpetuus; im Prinzip war das die offizielle Einführung der Monarchie. Seine Statue wurde auf dem Kapitol neben den Statuen der legendären Könige der Frühzeit aufgestellt. Es war klar, dass diese Selbstverherrlichung nicht von allen Kreisen positiv gesehen wurde.
Caesar hatte das alte Spiel der Aristokraten um die Macht monopolisiert, ihre libertas, d.h. ihre Freiheit, im freien Kräfteringen miteinander auszuloten, wem die höchsten Würden zukamen, an sich gerissen. Spätestens mit Caesars Stellung als Alleinherrscher war diese libertas zum Erliegen gekommen, die alten republikanischen Spielregeln des Machterwerbs und Machterhalts waren außer Kraft gesetzt. Das wollten und konnten konservativ gesinnte republikanische Kreise nicht hinnehmen. Eine Verschwörung gegen Caesar brauchte sich zusammen. Anders als später Octavian, hat Caesar zu wenig auf die Meinungen innerhalb der Senatsaristokratie geachtet, verstand er es nicht, seine überragende Stellung mit der Republik zu versöhnen. Es sieht nicht so aus, als ob Caesar hier ein Konzept gehabt hätte, eine Vision davon, wie er dauerhaft seine Stellung absichern und legitimieren können würde. Cicero bat ihn inständig, sich nun um die Innenpolitik zu kümmern, eine funktionsfähige Reichsverwaltung aufzubauen, idealiter die Republik wieder herzustellen. Doch Caesar fühlte sich innenpolitisch nicht auf gewohntem Terrain. Seine Welt war die des Krieges und des Militärs, dort fühlte er sich zu Hause, hier lagen seine Stärken als brillanter Stratege und Organisator von groß angelegten Feldzügen. So verwundert es nicht, dass Caesar mit seiner Stellung in Rom wenig anzufangen wusste und einen großen Partherfeldzug plante, um die Niederlage des Crassus zu rächen und die römischen Feldzeichen zurückzuholen.
In der älteren Forschung gab es eine lebhafte Diskussion um die Frage, ob Caesar nun ein Staatsmann gewesen sei (so Matthias Gelzer) oder ob ihm diese Bezeichnung nicht zukomme (so Hermann Strasburger). Christian Meier hat für die paradoxe Situation, in der sich Caesar nach seinem Sieg befand, ein, wie ich meine, treffendes Oxymoron gefunden: Er spricht von der „Ohnmacht des allmächtigen Diktators Caesar“. Kurz vor seinem Aufbruch nach Osten wurde Caesar an den Iden des März 44 v. Chr. von ca. dreißig Verschwörern ermordet. Doch ihre Rechnung ging nicht auf: Das Attentat stellte die Republik nicht etwa wieder her, sondern hinterließ ein Machtvakuum, längst waren die staatlichen Strukturen monarchisch geprägt. Caesar war beim Volk beliebt und v.a. bei seinen Soldaten und seinem Freund Marcus Antonius. So waren die Verschwörer sofort in der Defensive und mussten aus der Stadt fliehen. Immerhin erreichte man im Senat einen Kompromiss: Alle Amtshandlungen Caesars behielten ihre Gültigkeit, das bedeutete de facto einen Verzicht der Attentäter auf ihre Ziele. Andererseits galt nun eine Amnestie für die Mörder. Doch die Verhältnisse waren kompliziert: Marcus Antonius, der Konsul des Jahres 44, brachte den Nachlass Caesars an sich. Gleichzeitig erhob der neunzehnjährige Caius Octavius, den Caesar adoptiert hatte, Anspruch auf das Erbe. Sofort stand er in Rivalität zu Antonius. Diese Grundrivalität (zwei Erben waren einer zu viel) bestand immer fort und sollte erst in der Schlacht von Actium ihre Auflösung finden.
Zwischenzeitlich kooperierten die beiden jedoch, um sich gemeinsam an den Caesarmördern zu rächen. Generell verstand es Octavian immer, aus opportunistischen Gründen die Seiten zu wechseln. Er hatte in der komplizierten Situation von 44 die Wahl, entweder gleich in die offene Rivalität zu Antonius zu treten, dann brauchte er jedoch die Hilfe des Senats, oder zuerst mit Antonius gemeinsame Sache gegen die Caesarmörder zu machen, dann wäre er aber nur der Juniorpartner des Antonius gewesen.
Octavian verfügte mit seinen 19 Jahren über keinerlei militärische Erfahrung, seine Stellung musste erst legitimiert werden, und das konnte nur durch und über den Senat geschehen. Seinen großen Förderer und Fürsprecher fand er in Cicero, der glaubte, ihn gegen Antonius und somit für die Republik aufbauen zu können, eine gründliche Fehleinschätzung des erfahrenen Politikers. Durch einen Provinztausch wollte Antonius Norditalien in Besitz nehmen, doch der Statthalter der Gallia Cisalpina, Decimus Iunius Brutus, einer der Verschwörer, weigerte sich, die Provinz an Antonius herauszugeben. Antonius marschierte nach Norden und belagerte Brutus in Mutina, wieder war also ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Die beiden Konsuln, Hirtius und Pansa, sowie Octavian bekamen den Auftrag, den Belagerungsring um Mutina zu sprengen und so Decimus Iunius Brutus zu entsetzen. Dies gelang, doch beide Konsuln fielen in der Schlacht, und Octavian ließ Antonius fliehen, sein Seitenwechsel deutete sich hier bereits an. Octavian fordert nun sogleich, gegen alle Regeln der Verfassung, den Konsulat für sich. Der Senat lehnte ab und Octavian marschierte auf Rom und besetzte es. Mit der Hand am Schwertknauf erzwang er sich das höchste Amt im Staat. Es war nun klar, dass dieser junge Mann sich von niemandem würde kontrollieren lassen. Der Seitenwechsel vollzog sich nun rasch: Eine lex Pedia ächtete die Caesarmörder in ihrer Abwesenheit, Antonius vereinigte sich im Westen mit den Heeren des Marcus Aemilius Lepidus, Lucius Munatius Plancus sowie Caius Asinius Pollio. Der gesamte Westen war somit in der Hand der Caesarianer.
Lepidus vermittelte zwischen Antonius und Octavian und die drei Männer kamen schnell überein: In Bononia wurde im November 43 das Zweite Triumvirat besiegelt, für fünf Jahre. Die Militärdiktatur wurde gesetzlich abgesichert durch eine lex Titia, anders als das Erste Triumvirat, das nur eine private coitio war, ein privates Zusammengehen dreier führender Männer. Die drei Männer teilten sich das Reich in Interessenssphären auf: Octavian war hier eindeutig nur Juniorpartner, er bekam Africa, Sizilien, Sardinien und Korsika. Antonius ging als der Stärkste aus dieser Vereinbarung hervor. Man beschloss nun den gemeinsamen Krieg gegen die Caesarmörder sowie Rache an den politischen Feinden. Zum zweiten Mal in der römischen Geschichte wurden Proskriptionslisten erstellt: 300 Senatoren sowie 2000 Ritter fanden den Tod, damit war die alte Aristokratie physisch vernichtet. Ganz oben auf der Liste muss Cicero gestanden haben, der Erz-Republikaner, der Antonius in den Philippischen Reden so vehement geschmäht und verunglimpft hatte. Octavian tat nichts, um seinen alten Gönner und Förderer zu retten. Cicero hatte sich zeit seines Lebens als Bewahrer der Republik verstanden, gegen Ende seines Lebens sich gar als Verkörperung der Republik gesehen. Seine Ermordung führt vor Augen, dass er mit dieser sehr selbstbewussten Einschätzung seiner selbst nicht ganz Unrecht hatte. Mit ihm war ein großer Mahner und Befürworter der Republik für immer verstummt.
Im Herbst 42 suchten Caesarianer und Republikaner die Entscheidung im Osten. In der Doppelschlacht von Philippi verloren die Republikaner, Cassius und Brutus begingen Selbstmord. Damit war die Rache für Caesar erfüllt, aber noch keineswegs bedeutete dies das Ende des Bürgerkrieges. Nach Erledigung der gemeinsamen Aufgabe wuchs nun die Rivalität zwischen Antonius und Octavian wieder ungebremst. Antonius sicherte die Herrschaft der Triumvirn im Osten, wo er als neuer Dionysos begrüßt wurde, während Octavian im Westen große Probleme bei der Veteranenversorgung hatte und sich sehr unbeliebt machte. Lucius Antonius, der Bruder des Triumvirn, zettelte sogar einen Krieg gegen Octavian an, den Perusinischen Krieg um Perugia. Octavian nahm die Stadt ein, übte aus politischen Gründen jedoch Rücksicht und schob Lucius Antonius nach Spanien ab.
Ein weiteres Problem stellte Sextus Pompeius auf Sizilien dar, der Sohn des Magnus, der im westlichen Mittelmeer geradezu eine Seeherrschaft etabliert hatte und durch das Kappen der Getreidelieferungen nach Rom empfindlichen Druck auf Octavian ausüben konnte. In mehreren Verträgen suchte Octavian nun die gegensätzlichen Interessen auszutarieren:
Im Vertrag von Brundisium (40) kam es zu einem Ausgleich zwischen Octavian und Antonius. Antonius bekommt den gesamten Osten, Octavian den Westen, Lepidus erhält Africa als Abfindung. Italien steht allen Triumvirn für Rekrutierungen offen. Der Vertrag wird noch durch eine Eheschließung bekräftigt: Antonius, dessen Frau Fulvia mittlerweile gestorben war, heiratete Octavia, die Schwester Octavians.
Im Jahre 39 wurde ein Vertrag mit Sextus Pompeius geschlossen, der Vertrag von Misenum, der Italien in Jubel versetzte, denn dadurch schien eine militärische Auseinandersetzung abgewendet: Sextus Pompeius garantiert nun Getreide aus Sizilien für Rom, dafür hat er weiterhin das Kommando über die Inseln. Er verpflichtet sich, keine weiteren flüchtigen Sklaven mehr aufzunehmen, dafür erkennen die Triumvirn die Sklaven in seiner Flotte als frei an. Proskribierte, die sich bei Pompeius befanden, durften zurückkehren und konnten ein Viertel ihres Vermögens wieder erlangen.
Als Antonius für seinen Partherfeldzug Truppen brauchte (er wollte nun den Feldzug endlich umsetzen, zu dem Caesar nicht mehr gekommen war), mussten sich die die Triumvirn wieder verständigen. Im Vertrag von Tarent wurde 37 v. Chr. das Triumvirat verlängert. Antonius wurden 20.000 Soldaten aus Italien zugesagt, Octavian im Gegenzug 120 Kriegsschiffe aus Antonius‘ Flotte.
Sextus Pompeius, der den Vertrag von Misenum gebrochen hatte und wieder Druck auf Italien ausübte, konnte vom Freund des Augustus, Marcus Vipsanius Agrippa, in der Schlacht von Mylae und Naulochos geschlagen werden. Im Kontext dieser Auseinandersetzungen machte sich Lepidus selbständig und beanspruchte Sizilien für sich. Octavian konnte jedoch seine Soldaten gewinnen und so legte Lepidus, isoliert, seine triumvirale Gewalt nieder. Lepidus wurde mit dem Oberpontifikat abgespeist; Octavian nahm nun, ganz unerwartet, Africa in Besitz, ein gewaltiger Machtzuwachs und Prestigegewinn. Octavian und Marcus Antonius waren nun die alleinigen Kontrahenten. Octavian arbeite von jetzt an geschickt propagandistisch auf die finale Auseinandersetzung zu, wobei ihm Antonius diese Aufgabe aber auch leicht machte. Aufgrund seines Verhältnisses zu Cleopatra hatte sich das Verhältnis zu Octavian merklich abgekühlt, schließlich hatte Antonius seine Ehefrau Octavia betrogen. Mit Cleopatra hatte Antonius sogar drei Kinder, die Zwillinge Alexander Helios und Cleopatra Selene und dann noch Ptolemaios Philadelphos. Antonius schenkte Cleopatra und den gemeinsamen Kindern Syria Coele, Phönikien, Zypern und Teile von Kilikien. Statt der 20.000 Soldaten stellte Octavian Antonius nur 2000 zur Verfügung. Octavia sollte sie ihm persönlich übergeben, doch Antonius lehnte das Treffen mit Octavia ab, ein schwerer familiärer und auch politischer Affront.
Es kam zu einer weiteren Brüskierung des römischen Staates: Antonius feierte nach einem Armenienfeldzug einen Triumph in Alexandria, bei dem er als Neuer Dionysos, Cleopatra als Neue Isis auftraten; auch mythologisch wurde also ihre enge Verbindung unterstrichen. In den Jahren 33/32 mobilisierte Octavian die öffentliche Meinung gegen Antonius. Dem angeblich orientalischen und dekadenten Antonius setzte er eine italisch-nationale Propaganda entgegen, die ganz auf die konservativen, altrömischen Werte setzte. Die Fronten verhärteten sich, 300 Senatoren gingen nach Ephesos, der Ausbruch eines weiteren Bürgerkrieges stand unmittelbar bevor. Als Antonius einen Scheidebrief an Octavia schickte, ließ Octavian das Testament des Antonius erbrechen, das bei den Vestalinnen hinterlegt war, und im Senat verlesen. Wir wissen nicht, ob das wirklich das Testament des Antonius war oder ein von Octavian fabrizierter Text, aber er hat seine Wirkung nicht verfehlt: Antonius wollte in Alexandria beigesetzt werden, gewaltige Zuwendungen an Cleopatra und die gemeinsamen Kinder waren vorgesehen. Daraufhin wurde Cleopatra, wohlgemerkt nicht Antonius, der Krieg erklärt. Der weitere Verlauf der Geschichte ist wohlbekannt. Octavian ließ die Bevölkerung Italiens und der Westprovinzen einen Eid auf sich schwören. Dieser consensus universorum, ein Begriff, den Cicero geprägt hatte, war fortan Octavians Herrschaftslegitimation. Antonius tat es ihm im Osten gleich.
Nach der verlorenen Schlacht von Actium, dem Selbstmord der Cleopatra und des Antonius und der Eroberung Ägyptens durch Octavian, kannte die Welt nur noch einen Herrscher: Octavian, der sich ab 27 v. Chr. Augustus nennen würde. Die Republik war damit zu Ende.

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